Ich will auch einen Hund! Lest die Geschichten!

Was kommt dabei rum, wenn man einfach drauflos schreibt? Hier veröffentlichen wir alle Kurzgeschichten, die ihr uns geschickt habt. Sucht nach dem Rest unter #erregungoeffentlicherfreude (Facebook / Instagram) bzw. #erregungöffentlicherfreude (Facebook / Instagram) in den Sozialen Medien!


Kathrin Nowak

Corona-All-Tag

Alleine spazieren gehen im Berliner Winter – na dankeschön. Der Wind pfeift, der Nieselregen fällt einem immer ins Gesicht auch mit Mütze, Kapuze und Schirm.

Alleine trotte ich durch Neukölln nach Kreuzberg, immer entlang des ehemaligen Mauerverlaufs, schön trostlos, die Narbe der Vergangenheit als Kopfsteinpflaster vor der Nase im Asphalt.

Doch drum herum, wo einst streng bewachtes Niemandsland war, stehen neue moderne Behausungen: Quadratisch, praktisch, gut?!

Ich trotte meine Spaziergeh-Runde entlang, wohl bekannte Wege.

Menschen, manche, bei dem Wetter mitten in der Woche, erstaunlich viele. Corona, eben, was kann es da großes an Freizeitaktivität geben, als den Freigang im Regen?!

Hände in den Taschen und den Blick gesenkt. Dabei fällt mein Blick auf manches Tier, Vierbeiner laufen neben, vor und hinter ihren Zweibeinern her. Treu ergeben, auch durch den Regen.

Ach glücklich, denke ich, sind ihre Menschen, haben in der verordneten Kontaktsperre ein schlagendes Herz an ihrer Seite und immer einen Grund für ein Verlassen der eigenen Vierwände. Behände oder behäbig, egal, Hauptsache, der Köter kommt regelmäßig an die Luft. Das Tier muss seine Notdurft verrichten können, egal ob im 15 Kilometer oder 1,50 Meter Umkreis. Der Scheißhaufen muss unter freiem Himmel platziert werden.

Und so kommen auch Herrchen und Frauchen in den Genuss, der manchmal auch ein Frust sein mag, regelmäßig, wie das Zähneputzen, Schuhe und Jacke angezogen aus der Haustür vor die Tür zu gehen: Gassi mit Lassie.

Ach, ich will auch einen Hund! Zum lieb haben, zum Versorgen, zum Gehorchen und um endlich einen Zuhörer zu haben, für meine pandemiebedingten endlosen halblauten bis lauten Selbstgespräche. Ein Hund wäre fein, dann wäre ich nicht so allein.

Wer weiß, was Corona noch so mit sich bringt. Vielleicht steigt die Zahl der Hündinnenbesitzer und der Hundebesitzerinnen in Berlin ja an, wie die Fallzahlen nach Weihnachten?

Wäre das nicht toll, ein Abwärtstrend bei der Auslastung der Berliner Tierheime? Vielleicht wäre das auch eine sinnvolle Maßnahme zur Eindämmung der Pandemie:

Sei Vorbild –trage Maske! Für den Vierbeiner gibt es den Maulkorb dann im passenden Partnerlook-Design gratis dazu.

Einsamkeit –ade! Keine unerlaubten Treffen in größeren Gruppen mehr, nur traute Zweisamkeit! Und den Mindestabstand halten die Vierbeiner, laut meinen Beobachtungen, zu ihren und anderen Menschen beim Spazierengehen problemlos ein.

Mensch – stopp das Virus – hol Dir einen Hund und bleib gesund!


Corinna von Bodisco:

Das machte keiner so schnell nach: Ich, als Achtjährige, laufe geradezu auf den Zwinger, aus dem der schwarze Hund böse heraus bellt und warnend die Zähne fletscht.

„Das kann er doch nicht so meinen“, denke ich und strecke meine Hand durch die Gitterstäbe. Der Hund schnellt heran, ich wedle furchtlos mit einer Hand, locke ihn an.

„Pia“, schreit es hinter mir. Meine Mutter. Die hat Hunde noch nie verstanden. Dafür muss man mit ihnen sprechen und Zeit verbringen. Wie ich das gelernt habe – ohne einen Hund zu haben? Hunde leihen! In meiner Nachbarschaft habe ich schon zwei davon.

Bobbie war klein: so ein klassischer schwarz-brauner Weste, kläffend und trotzdem süß.

Der andere – Dagobert – war mein ein und alles: Er zog mich auf Inlinern oder dem Fahrrad hinter sich her, manchmal haute er auch ab – zurück nach Hause. Für ihn war alles ein Spiel. Auch, als er einmal meine beste Freundin in den Arm biss. So richtig tief – das Blut schoss heraus. Sie schaute den Hund an, die Wunde, dann brach alles aus ihr heraus. Dagobert schien sich zu schämen, machte große Augen und sich selbst klein. In der Erregung hatte er vergessen, was er tat.

„Das konnte er nicht so meinen“, tröstete ich sie, band ihr mein Halstuch um den Arm und brachte sie nach Hause.

Tollwut. Nein, Tollwut hatte Dagobert nicht, stellte sich zwei Stunden später heraus. Ein bisschen stand der Biss nun zwischen uns dreien und gleichzeitig kannten wir uns besser. Das gehört dazu.

„Ich will auch einen Hund“, bekniete ich meine Mutter. „Du hast doch zwei Leihhunde.“

Sie wird es nie verstehen. Mit einem eigenen Hund würde ich auf ein ganz anderes Niveau emporsteigen: von der Hundeversteherin zur Hundeschwester – wie toll wäre das denn?

Der schwarze Hund schnellte heran. Insgeheim hoffte ich, er würde mich beißen. Danach kennt man sich immer eine Spur besser, hat auch die aggressiven Seite des Anderen gefühlt.

Doch kurz vor meiner Hand hielt er inne, war plötzlich ganz ruhig und schaute mich durch die Gitterstäbe an. Es war immer dasselbe: Hunde antworten wie ein Spiegel. Ich hatte mich wieder selbst übertroffen mit der Hundeversteherei.

Aber meine Mutter wusste es nicht zu würdigen. Sie schaute mich entgeistert an, dann den plötzlich braven Hund. Und obwohl alles in mir sagte: „Siehst du, kein Problem, wenn ich auch einen Hund habe“.

Jetzt musste sie endlich verstanden haben, dass die die beste Idee der Welt sei, doch sie umklammerte mich nur fest.

Als sie los ließ und mich am Arm wegführte, drehte sie sich nochmal um und rief dem Hund zu: „Bleib wo du bist, Beethoven“. Es hörte sich an wie eine Drohung. So verstand er es auch und winselte.


© Texte: bei den Autoren
© Illustration: Jens Wiesner

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